Marseille – Südfrankreich. Ein Glas Rotwein im malerischen Hafen rundet das Dinner bestehend aus Bandenkriminalität und Patronenhülsen gut genug ab. Die brandneue, französische Netflixproduktion Banden von Marseille, im Original Bronx, beschreibt eine Realität, in der im Zweifel jeder an sich selbst denken muss, um am nächsten Morgen aufzuwachen.
Regisseur Olivier Marchal schickt eine Anti-Gang-Einheit der Polizei ins Rennen, um eine Schießerei in einer Bar aufzuklären. Und es wird sofort klar: Drogenhändler oder Polizisten – um sie unterscheiden zu können, reicht auch ein zweiter Blick meist nicht aus.
Kampf
Die Spezialeinheit um Richard Vronski ist eine der unorthodoxen. Wobei, eigentlich fügt sie sich nahtlos in die Realität ein. Die Hemmungen niedrig, Geheimnisse groß und die Waffe im Halfter sitzt lockerer als das Schmiergeld in der Brusttasche.
Vronski und Co stehen in einem Konkurrenzkampf mit der Einheit des korrupten Costa um die Aufklärung des Falls. Ein Zeuge stirbt daraufhin im Polizeigewahrsam. Der unbeliebte Direktor Leonetti drängt auf Ergebnisse, ist gleichzeitig selber Teil der verstrickten Beziehungen zwischen Kriminellen mit Marke und Kriminellen mit Drogen.
Einer von uns
Ein Tipp führt Vronskis Einheit zu einem nächtlichen Handel zwischen Mitgliedern der Bastianis, einer korsischen Großfamilie, und spanischen Drogendealern am Strand. Auf eigene Faust stören die vier Beamten, von denen einer übrigens von Rapper KAARIS gespielt wird, die Übergabe und veranstalten ein weiteres von zahlreichen Massakern. Neben spanischen Dealern wird auch ein verdeckter Ermittler der Polizei getötet.
Der Schütze in Vronskis Reihen ist schnell gefunden und tut das Nötige.
Weißt du, was uns unterscheidet
Der korrupte und von den Gangs erpresste Costa wird tot aufgefunden. Vronski möchte indes den Drogenhändler Nadal beseitigen und schließt einen schmutzigen Deal mit den Bastianis ab. Er kontaktiert Nadal, gibt sich als Nachrücker von Costa und vereinbart eine vermeintliche Übergabe.
Am Ort des Geschehens macht Vronski kurzen Prozess und lässt insgesamt vier Leichen liegen. Und wieder verschwimmen die Grenzen zwischen gut und böse.
Notizbuch voller Fehler
Im Laufe des Films kommt alles ans Licht: Drogen, Gewalt, Erpressung, Bedrohung. Beide Seiten sind mal Täter, mal Opfer. Knallharte Banden und ein von innen ausgehöhlter Polizeiapparat sorgen dafür, dass Loyalität letztendlich nur in eine Richtung funktionieren kann: Zu sich selbst.
Vronskis Einheit hat das scheinbar Richtige zum Ziel, versinkt aber von Tag zu Tag mehr im Sumpf der falschen Entscheidungen. Entscheidungen, die man von dir erwartet, wenn du ein Krimineller bist. Entscheidungen, die dir aber unwürdig sind, wenn du Polizist bist. Und genau das ist der Unterschied.
Letzter Anblick: Ein Haus am Meer
Banden von Marseille endet unerwartet. Wobei, eigentlich fügt es sich nahtlos in die Realität ein. Eine Realität, in der im Zweifel jeder an sich selbst denken muss, um am nächsten Morgen aufzuwachen. Und eines sei gesagt: Am Schluss tun das weitaus weniger Menschen als zu Beginn des Films.
Ob mit Pistolen, Messern, Baseballschlägern, bloßen Händen, oder Kissen: Sind die Hände einmal schmutzig gemacht, werden sie das bleiben. Und wenn der Bildschirm sich nach 116 Minuten Spieldauer erst rot und dann schwarz färbt, wirst du dir eine Frage stellen: War es das wert?